Zyklon B Dose (Quelle: MGS Ravensbrück)

Zyklon B-Dose aus dem Bestand der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Zyklon B wurde als Schädlingsbekämpfungsmittel hergestellt. Von 1941 bis 1945 wurde es zweckentfremdet und von den Nazis zur Ermordung hunderttausender Menschen in den Konzentrationslagern missbraucht.

Dabei soll verdeutlicht werden, wo und wie das in Dessau produzierte Zyklon B zur Vernichtung von Menschen verwendet wurde. Daher werden die zahlreichen Konzentrations- und Vernichtungslager, wie beispielsweise Sobibor, Chmelno, Treblinka oder Belzec in denen Menschen mit Motorabgasen, Kohlenstoffmonoxid oder durch Erschießung gemordet wurde, jedoch nicht mittels Zyklon B, in diesem Abschnitt nicht ausgeführt.

Der Einsatz von Zyklon B zur fabrikmäßigen Tötung von Menschen wurde erstmals im Herbst 1941 in Auschwitz getestet. Dazu wurde der Block 13 (spätere Umbenennung in Block 11) mit Baustoffen und Erde abgedichtet. Fest steht, dass die ersten Opfer des Massenmordes 600 sowjetische Kriegsgefangene, sowie ca. 270 polnische Häftlinge waren (vgl.: Klodzinski 1999; Pressac 1995:149; Piper 1997:243 ff; FG Zyklon B, Zyklon B, BoD 2007:127ff). Danach wurde es in den KZs Auschwitz, Majdanek/Lublin, Mauthausen, Sachsenhausen/Oranienburg, Ravensbrück, Stutthof und Neuengamme zur Ermordung von Menschen benutzt.

KZ Auschwitz

Nach der ersten Massenvernichtung im Block 11 im September 1941 diente die Leichenhalle des Krematoriums 1 des Stammlagers mit einer Fläche von 78 m² als Gaskammer. Die ersten Opfer waren auch hier sowjetische Kriegsgefangene (Piper 1997:244). »Richtete sich die Tötungstechnologie 1941 gegen sowjetische Kriegsgefangene, so wurde sie im Laufe des Jahres 1942 zu einer vorrangig für den Mord an den Juden und Sinti und Roma verwendeten Methode, die zur Tötung von etwa einer Millionen Menschen führte.« (Morsch/Perz 2011:XXIV).

Ab März/April 1942 setzten dann die systematischen Vergasungen im Teillager Auschwitz-Birkenau ein und die Nutzung der Gaskammer im Hauptlager wurde eingestellt. Das zugehörige Krematorium in wurde im Juli 1943 entkernt und später zu einem Luftschutzbunker für die Wachmannschaft umgebaut. Durch den Bau weiterer großer Gaskammern in Birkenau mit den dazu gehörigen Krematorien entwickelte sich diese Mordmaschinerie zur industriemäßigen Vernichtung.

Die Gaskammer wurde im offiziellen Schriftverkehr als »Desinfektions-Anstalt« getarnt, der Leiter einer Vergasungsaktion als »Desinfektor« bezeichnet, und die in der Gaskammer Getöteten erlitten den »Gnadentod« oder sie sind »sonderbehandelt« bzw. »desinfiziert« oder im Gaswagen »verarbeitet« worden. Der Begriff »Sonderbehandlung« fand Verwendung, um die Ermordung von Juden und Roma und Sinti zu tarnen (Maršálek 1988:7).

Im 2011 veröffentlichten Tagungsband Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas – welcher den derzeit aktuellsten Forschungsstand widergibt – schreibt van Pelt: »Mit zwischen 1 und 1,1 Millionen Opfern, 900.000 bis zu einer Million von ihnen Juden, war Auschwitz gegen Ende des Krieges zum Vernichtungslager mit der höchsten Zahl von Toten geworden […]. Mehr als 90 Prozent der jüdischen Opfer wurden in den Zyklon B-Gaskammern umgebracht.« (Pelt 2011:216f).

KZ Majdanek/Lublin

Mit dem Bau der Gaskammern zur Menschentötung, als Bauwerk XIIa, beziehungsweise »Bunker« bezeichnet, wurde im Sommer 1942 begonnen. Sie befanden sich hinter der Badebaracke der Männer und das Gebäude (10,7 m × 8,8 m × 2,4 m) war durch einen Stacheldraht gesichert. Als Sichtschutz diente ein Holzzaun (Kranz 2011:221).

Darüber, wann in Majdanek das Töten mittels Zyklon B begann, gibt es keine eindeutigen Angaben. Zeitzeugen haben angegeben, dass bereits im September 1942 mit dem Giftgas 48 Polen ermordet wurden. Andere Quellen sagen aus, dass die Vergasungsanlage von spätestens Oktober 1942 bis in den Herbst 1943 in Betrieb war. Die Ermordung von Häftlingen mittels Giftgas war hier, wie in Auschwitz, die dominierende Tötungsart. Gemordet wurde außer mit Zyklon B auch mit reinem Kohlenmonoxidgas und Abgasen in Gaswagen.

Nach neuesten Forschungen sind in Majdanek insgesamt circa 78.000 Menschen umgekommen, wobei der Autor Tomasz Kranz die Anzahl der umgebrachten Jüdinnen und Juden auf 60.000 schätzt. Wie viele der Ermordeten durch Giftgas – Zyklon B, Kohlenmonoxyd, LKW-Abgase – getötet wurden, ist nicht präzise genug feststellbar (Kranz 2005).

KZ Mauthausen

Im Keller zwischen Bunker und Reviergebäude, angrenzend an den Exekutionsraum, nahe dem Krematorium, begann die SS im Herbst 1941 mit dem Bau der Gaskammer. In einem kleinen Nebenraum, der so genannten Gaszelle, gab es ein mit einem Deckel versehenes, aus Stahlblech bestehendes Einfüllgerät. Ab März 1942 erfolgten die ersten Vergasungen (KZ-Gedenkstätte Mauthausen o.J.).

Achim Trunk beziffert in seinem Beitrag Die totbringenden Gase in Morsch/Perz Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas die Opferzahlen durch Zyklon B mit über 3.500 (Trunk 2011:25, Vgl. auch Maršálek 1995).

KZ Sachsenhausen

Im Sommer des Jahres 1943 wurde eine Gaskammer zur Menschenvernichtung im KZ Sachsenhausen in die so genannte Station Z eingebaut, in der sich auch eine Genickschussanlage befand. Diese Gaskammer wich wesentlich vom Aufbau der Vernichtungsanlagen in anderen KZ ab, denn es kam nicht das in Büchsen gefüllte Zyklon B mit dem Erco-Trägermaterial zum Einsatz. Vielmehr wurde eine Blausäureflüssigkeit verwendet, die in die Gaskammer über ein Rohrsystem eingeleitet wurde, um beim Übergang in den gasförmigen Zustand die darin befindlichen Menschen zu töten (Trunk 2011:43). Kurz vor der Befreiung des KZ durch die Rote Armee wurden die Genickschussanlage und die Gaskammer durch die SS zurückgebaut.

Dafür, dass in der Gaskammer Menschen ermordet wurden, gibt es viele Zeugenaussagen von ehemaligen Häftlingen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es unmöglich, auch nur annähernd eine genaue Zahl der Opfer der mittels Blausäuregas im KZ Sachsenhausen Getöteten anzugeben, grobe Schätzungen belaufen sich auf 4.000.

KZ Ravensbrück

Der Bau der Gaskammer auf geht zurück auf einen Befehl Heinrich Himmlers, Chef des Amt D im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, zuständig für Konzentrationslager, zurückgeht, alle arbeits-, marschunfähigen und kranken Häftlinge zu vernichten. Diese wurden im Januar 1945 im Frauenlager in der mit Stacheldraht abgegrenzten letzten Barackenreihe eingesperrt. Ab Ende Januar transportierte die SS die zur Tötung selektierten Frauen in das teilweise »zu einem Sterbe- und Selektionslager umfunktionierte ›Jugendschutzlager‹ Uckermark« (Strebel 2011:280), welches in unmittelbarer Nähe des Stammlagers lag und durch die SS zur Verschleierung als »Mittwerda« benannt wurde.

Häftlingsberichten zufolge sollen in den Gaskammern von Ravensbrück ca. 2.400 Menschen qualvoll ermordet worden sein (Kogon 1995:257ff.). Im Büro des so genannten Arbeitseinsatzes arbeiteten Häftlinge als Schreiberinnen. Ihnen fiel auf, dass die Listen für die Transporte nach »Mittwerda« anders verfasst wurden, als bei bisherigen Verlegungen in Außenlager. Sie erfuhren vom Zweck der Transporte. Insgesamt zählten sie 3.660 Namen, und schrieben diese über fingierte Transportlisten ab. Da einige Transporte aus Außenlagern direkt in die Gaskammer gebracht und somit nicht in die »Mittwerda«-Listen aufgenommen wurden, wird die Gesamtzahl der in der Gaskammer von Ravensbrück ermordeten Frauen und Männer auf 5.000 bis 6.000 geschätzt (Strebel 2011:285f).

KZ Stutthof

Die massenhafte Ermordung von Gefangenen in der Gaskammer begann im Juni 1944 unter dem Decknamen »Sonderbehandlung«. Die Opfergruppen waren unterschiedlich. Es betraf zuerst, am 22. Juni 1944, polnische Partisanen und russische verwundete Kriegsgefangene, am 15. August 1944. Ebenfalls wurden Todesurteile an Polen vollstreckt (Orski 2011:296f.). Aus Auschwitz verlegte die SS circa 38.000 jüdische Häftlinge, von denen zunächst die arbeitsunfähigen, in der Mehrzahl Frauen, ermordet wurden. Die Tötung durch Gas war im Lager nur eine von mehreren Methoden. Insgesamt brachten die Nazis in Stutthof circa 1.300 Menschen mittels Zyklon B um (Orski 2011:301).

KZ Neuengamme

Im KZ Neuengamme bei Hamburg konnten mindestens zwei Vergasungsaktionen mit Zyklon B im Herbst 1942 nachgewiesen werden. Im Oktober 1942 ließ die SS den Arrestbunker umbauen. Die Fenster erhielten Stahlklappen, Querbänder aus Eisen sicherten die Tür und garantierten eine dichte Verriegelung, ein elektrische Heizung im Bunker plus Ventilator sorgte für Warmluft, damit sich das Gas besser entwickeln konnte. 450 mittels Zyklon B Getötete sind nachweisbar (Koch 1996:160, Kogon 1995:266ff, Möller 2011:289).

Anwendung zur Vernichtung von Schädlingen und Ungeziefer

Zyklon B wurde für die Schädlingsbekämpfung in vielfältiger Weise verwendet. Es wurde sowohl gegen Säugetiere (Mäuse, Ratten) als auch Insekten (Motten, Fliegen) in Mühlen, Transportschiffen, Küchen, Lebensmittellagern oder Kleiderkammern eingesetzt. Im Krieg wurde es vor allem zum Kampf gegen die Kleiderlaus eingesetzt, dem Überträger des Fleckfieber. Zu diesem Zweck wurde es in großen Mengen von Wehrmacht und SS geordert. Dieser Zweck ist auch der Grund, warum Zyklon B an sämtliche Konzentrationslager geliefert wurde.

Zur Entseuchung wurde Zyklon-B wie folgt verwendet: Mittels einer Stanze wurde der Deckel der Büchsen im Freien entfernt. Auf die geöffneten Büchsen stülpte ein zweiter Arbeiter eine Gummikappe, welche durch den Desinfektor vor Ort der Anwendung entfernt wurde. Den Inhalt der Büchse kippte dieser dann auf den Fußboden. So konnte das Giftgas gut aus dem Trägermaterial heraus verdunsten.

Während des gesamten Vorgangs trugen alle Beteiligten Schutzmasken.